ZUR PERSON


Josef Rauscher, geb. 1950, Dr. phil. habil., Studium an der Universität Regensburg, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft der Universität Regensburg, seit 1985 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Wissenschaftlicher Assistent am Philosophischen Seminar der Universität Mainz, Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Koblenz-Landau, Mainz und Eichstätt; seit 1997 Hochschuldozent, seit 2005 Professor in Mainz. 

Systematische Schwerpunkte: Ästhetik, Ethik, Sprach- und Kulturphilosophie, Anthropologie, Philosophie der neuen Medien (insbesondere Film) – ein logischer Zusammenhang!
Historische Schwerpunkte: 20. Jahrhundert, der Übergang vom 18. zum 19. und das Mittelalter – Kein Widerspruch!

Indem ich diese tabellarische Auflistung erläutere, stelle ich mich gleichzeitig in meinen Arbeiten und meinem Philosophieverständnis näher vor:

I. Ästhetik – die Dissertation war eine Grundlegungsstudie zur Philosophie der Kunst: „Der Geltungsgrund ästhetischer Regeln unter besonderer Berücksichtigung der Freiformen in der modernen Kunst" (Regensburg, 1989). – In ihr weise ich nach, dass wir, wenn wir verschiedene Freiformen – recht plausible Freistellungen wie abstrakte Malerei, Duchamps Ready Mades oder Beuys erweiterten Kunstbegriff – als Kunst akzeptieren, nur auf der Basis einer rezipientenorientierten Grundlegung zu halbwegs plausiblen Ergebnissen gelangen – und dass dies keine Beliebigkeit bedeutet. In Vorträgen und Lehrveranstaltungen umkreise ich Themen aus diesem Bereich und lasse mich auch gelegentlich zu Reflexionen in der konkreten Herausforderung von Vernissagen oder Ausstellungen hinreißen.

II. Ethik – die Habilitationsschrift „Sprache und Ethik. Die Konstitution der Sprache und der Ursprung des Ethischen in der Grundkonstellation von Antwort und Verantwortung" (Mainz 2001) sucht in einem originären Ansatz unter Zuhilfenahme der Positionen von Emmanuel Lévinas und Ludwig Wittgenstein zu erweisen, dass mit der Annahme von Sprache ethische Regeln vorgegeben sind – im Gegensatz zur diskursethischen Berufung auf Sprache wird die ethische Ausgangssituation asymmetrisch aufgefasst. Solche Asymmetrie ist im Blick auf den Ursprung des Ethischen wie für die Begründung neuer Sprachspiele notwendig, was phänomenologisch (Lévinas) und logisch (Wittgenstein) aufgewiesen wird. Natürlich fand und findet auch dieses Interesse seinen Niederschlag in einer Vielzahl von Veranstaltungen. Irgendwann in nächster Zeit will ich mich mit der Konzeption von angewandter Ethik theoretisch auseinandersetzen, da die philosophische Reflexion der eifrigen, philosophischen Anwendung von Ethik weitgehend hinterherhinkt, was die angewandte Ethik insgesamt philosophisch interessant im Sinne von fragwürdig macht.

III. Die Fundierungsgröße für die beiden Bereiche Ästhetik und Ethik ist bei mir Sprachphilosophie und Semiotik.
Diese Kombination bewirkt ein natürliches Interesse an  Kulturphilosophie und Philosophischer Anthropologie. An der Nahtstelle beider Bereiche habe ich zusammen mit anderen Interessierten – die Kerngruppe sind Prof. Dr. Felipe Castaneda (Bogota); Dr. Johannes Roggenhofer (Bielefeld) und Matthias Vollet (M.A.) - ein Projekt begründet, das philosophischen Fragen im Zusammenhang mit der Conquista – Veränderungen des Menschen- und Weltbilds, die Wertproblematik, und generell die Frage nach dem Fremden und Eigenen – nachgeht. Im März 2000 veranstalteten wir zusammen mit Wissenschaftlern aus anderen Fachgebieten einen Kongress in Bogotá, der das Feld absteckte, und wir setzten diese Arbeit mit einem weiteren Kongress mit dem Focus ‚Sprache der Ethik – Ethik der Sprache'  in Mainz (IX, 2001) fort.
Damit ist ein Teilgebiet der mich gegenwärtig konkret beschäftigenden Fragen genannt – philosophische Themen im engeren Sinn sind dabei die Fragen nach kollektiver und personaler Identität, erkenntnistheoretische und kulturphilosophische Folgerungen aus den Vorgaben sprachlicher Orientierungsrahmen, kultureller Relativismus und Fragen der Wertsetzung und Wertbegründung - allgemein und im historischen Focus.
Der andere Bereich, an dem ich im Moment konkret arbeite, ist die, das heißt natürlich eine – meine – Philosophie des Films.
 
IV. Die Kombination von Sprachphilosophie, Semiotik und Ästhetik führte zu einer speziellen Beschäftigung mit der Philosophie der neuen Medien, insbesondere mit einer Philosophie des Films. Ich hoffe im nächsten Jahr endlich meine Monographie zu dem Thema fertig stellen zu können.
Dann könnte ich ein zweites Buch herausgeben, in dem ich die Filmemacher, von denen ich meine, dass sie – manchmal! - filmisch philosophieren, mit Hilfe von Filmwissenschaftlern und Philosophen vorstelle. Ferrara (s. den entsprechenden Aufsatz) wäre beispielsweise ein philosophischer Regisseur.

An der Universität Mainz habe ich die Beschäftigung mit Philosophie der Fotografie und des Films mit einiger Mühe auf den Weg gebracht, aber nach einigen Jahren ist es mir sogar gelungen, Kollegen zu überreden, dem Thema ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken oder sogar mitzumachen.
Insgesamt ist Philosophie des Films ein eher abwegiges Thema im Bereich des philosophischen Kanons und einige Philosophen meinen gar, es sei im Grunde unmöglich, philosophisch über Film zu arbeiten, weil dem Thema einfach keine Bedeutung zukomme. Ich natürlich meine umgekehrt, dass die Philosophie der neuen Medien ein philosophisches Thema von bemerkenswerter Signifikanz und höchster gesellschaftlicher Dringlichkeit sei. Die Wahrheit mag in der Mitte liegen. Mit phänomenologischem 'wer mehr sieht, hat mehr recht', versetze ich in Diskussionen den Grundsatzgegnern der Philosophie des Films gern einen argumentationslogisch unkorrekten Aufwärtshaken, den die meisten aber nicht zu kontern vermögen, da sie dazu erst mal einen Film ansehen müssten, was ihnen ein Greuel ist.

Zu meinen historischen Schwerpunkten gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass ich tatsächlich meine, dass das Mittelalter (MA) in einer hochinteressanten – Kathedralen und Sic et Non - und beispielhaften Weise, unter erschwerten Bedingungen, die Kultur philosophischen Fragens unter Rückgriff auf die antike Philosophie entwickelt hat. Die Gegenstellung Glauben – Vernunft, die keinen Gegensatz und keine zu überwindende Konstellation bedeutet, muss in philosophischer Perspektive je neu durchdacht werden und entgegen den Vermutungen bezüglich des ‚finsteren' MAs wurde hierin Beispielhaftes geleistet (Abaelard). Außerdem befinden wir uns, wenn Umberto Eco recht hat, am Beginn eines neuen Mittelalters und da sollte man sich vielleicht doch einmal einige Gedanken machen???
Zu meinem Schwerpunkt Moderne (Post- und Neu-) kann ich noch weniger sagen. Eigentlich sind alle meine philosophischen Fragen und Interessen auf gegenwärtige Probleme ausgerichtet. Ich behandle die historischen Konzeptionen und Fragen ausschließlich mit Blick auf den systematischen Ertrag. Die historischen Umstände nehme ich interessiert zur Kenntnis. Doch eine Beschäftigung in historischer Perspektive, die in der Frage: ‚wie ist es gewesen?' oder ‚wie war es gemeint?' und ‚wie ist es historisch zu verstehen?' aufgeht, verlässt meines Erachtens den philosophischen Horizont.

Lieblingsphilosophen zu nennen ist wirklich unphilosophisch, dennoch: der beispielhafteste Philosoph: Sokrates, er ist uns freilich weitgehend fiktional gegeben, und bietet sich gerade deshalb als Idealfigur unserer Projektionen. So etwas braucht ein Korrekturmoment. Wittgenstein tritt damit in den Vordergrund, da er uns ziemlich real vor Augen steht. Er ist für mich die Hauptinspirationsquelle und in den meisten Fällen, finde ich, hat er auch noch recht. Dies hält sich seit meiner Magisterarbeit: „Grundbegriffe der Spätphilosophie Wittgensteins und ihre Relevanz für eine Wittgensteinästhetik„ durch.
Ansonsten liebe ich Abaelard, den ich für unterschätzt halte, kenne Platon ziemlich gut und finde ihn manchmal göttlich und manchmal schrecklich. Bei diesen Philosophen besteht eher die Gefahr, dass ich zu affirmativ bin.

Als gegnerische Seite – nichts ist besser als ein guter Gegner – finde ich bei Heidegger und Nietzsche vielerlei Anregungen und Gegenhalt. Die Gegner kennt man dann nicht selten besser als die Anhänger selbige kennen, zumindest sieht man die Schwachstellen wesentlich besser. Das macht Spaß, und ist für beide Seiten von großem Nutzen, wenn es gelingt, so zu argumentieren, dass die Begeisterung für die Gegner und die Anerkennung erkennbar bleibt. Ich bemühe mich redlich, stehe gleichwohl immer in Gefahr, zu kritisch zu formulieren und das Herausarbeiten des verdienstlichen Parts der Gegner den Anhängern derselben ganz zu überlassen.

Über einige Jahre meines Studiums hinweg schätzte ich die formale Logik und die formale Strukturanalyse mehr denn alles ‚Gerede' über, bevor ich immer mehr zu der Seite des Redens über und der tentativen Annäherung an ein Problem im kritischen Prüfen und Gegenüberstellen von Positionen, dem Hinweis auf Phänomene und einer immer weicheren Analytik des Aufzeigens überging.



 


Siehe für eine Übersicht der Veröffentlichungen und Tagungsbeiträge, von denen ich den einen oder anderen auf der Homepage zur Diskussion stelle, die 'Liste der Veröffentlichungen und Vorträge'.